Erhaltungsgrade von Münzen

Erhaltungsgrade von Münzen

Ein Überblick über die Erhaltungsgrade von Münzen

Der Erhaltungsgrad von Münzen – gemeint ist der physische Zustand der Münze – spielt bei deren Bewertung eine wesentliche Rolle. So kann z.B. ein Taler aus Preußen 1819 (sog. Kanonentaler), welcher lange im Gebrauch war, durch viele Hände ging und in vielen verschiedenen Geldbeuteln aufbewahrt wurde, entsprechend “abgenutzt” aussehen. Einerseits geschieht dies durch den Abrieb der Oberfläche der Münze, andererseits durch Kratzer und Kerben, hervorgerufen z.B. durch das Aneinanderschlagen mit anderen Münzen. Der Erhaltungsgrad einer solchen Münze würde wohl bei s (schön) oder ss (sehr schön), der Wert zwischen 60 € und 120 € liegen. Der selbe Taler jedoch, welcher vor 200 Jahren unbenutzt weggelegt wurde (was entsprechend selten passierte) und heute somit in der Erhaltung vz-st (vorzüglich-Stempelglanz) oder gar st (Stempelganz) vorliegt, würde wohl einen Wert zwischen 500 € bis über 1.000 € haben.

Die landläufige Meinung, dass angelaufene Münzen (Patina) einen geringeren Erhaltungsgrad und damit weniger Wert hätten als nicht angelaufene, ist grundlegend falsch. Eine natürliche Patina (keine künstlich erzeugte) ist für historische Münzen eher wertsteigernd als wertmindernd. Ausnahmen gelten nur für verschmutzte Stücke oder Stücke mit Grünspanbelag. Siehe hierzu auch der Ratgeber – Münzen reinigen. Auch ist es ein Irrtum, dass Münzen, welche noch “schön glänzen” eine gute Erhaltung aufweisen müssen. Es gibt durchaus Stücke, welche in Teilbereichen noch originalen Prägeglanz haben, jedoch vom Erhaltungsgrad her nur als ss (sehr schön) einzustufen sind.

Nun zu den im Handel gebräuchlichen Abkürzungen: (diese Angaben erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit):

Erhaltungsgrade:

PP = Polierte Platte (fein mattiertes Relief, spiegelnder Münzgrund --> eigentlich kein Erhaltungs- sondern ein Herstellungsgrad)
auch SP für Spiegelglanz gebräuchlich (der Unterschied zur polierten Platte liegt nur im Herstellungsverfahren) – Englisch “proof”

Stgl. = Stempelglanz (keine Abnutzungserscheinungen, keinerlei Verletzungen der Münze erkennbar)
auch st, St o.ä. Schreibweisen üblich (die Angabe “st” wird für moderne, neue Münzen auch verwendet wenn sie die bestmögliche Erhaltung für diesen
Münztyp darstellt, obwohl die Münze ggf. prägebedingte Verletzungen des Münzreliefs und der Flächen aufweist – siehe auch Stfr.) – Englisch BU oder unc. wie bei Stfr.

Stfr. = Stempelfrisch (keine Abnutzungserscheinungen, nur prägebedingte, minimalste Verletzungen des Münzreliefs und der Flächen)
hier findet auch unc. (unzirkuliert), bfr. (bankfrisch), BU (engl. Brillant uncirculated) Verwendung

vz = vorzüglich (geringste Abnutzungen an den höchsten Stellen des Reliefs und geringste Verletzungen der Flächen)
Englisch: EF oder XF (extremely fine)

ss = sehr schön (normale Abnutzungen des Reliefs und der Flächen)
Englisch: VF (very fine)

s = schön (überdurchschnittliche Abnutzung des Reliefs und der Flächen, Umschriften sind noch lesbar)
Englisch: F (fine)

ge = gering erhalten (Umschriften nicht oder zum großen Teil nicht mehr lesbar, Relief zum großen Teil abgerieben)
Englisch: PR (poor)

Weitere Angaben, übliche Abkürzungen:

ss-vz bezieht sich auf einen Erhaltungsgrad der zwischen ss und vz liegt

ss/vz bezieht sich auf die Erhaltung der Vorder-/Rückseite der Münze

f.vz oder f.ss bezieht sich auf Münzen die den angegebenen Erhaltungsgrad nur fast erreichen

ss+ oder vz+ bezieht sich auf Münzen die über dem angegebenen Erhaltungsgrad liegen aber noch nicht in die nächste Erhaltungsstufe eingeordnet werden können

Rf. = Randfehler, Sf. = Schrötlingsfehler, o.Mz. = ohne Münzzeichen, l.ber. = leicht berieben

Hksp. = Henkelspur – an der Münze war eine Öse (zum Tragen an einer Kette z.B.) angebracht, welche entfernt wurde

EA = Erstabschlag – es handelt sich um eine Prägung mit einem neuen Stempel, in der Regel werden ca. die ersten 100 Exemplare so sehr scharf ausgeprägt – diese Angabe wird von manchen Händlern jedoch tlw. inflationär genutzt um einen höheren Preis zu erzielen. Da es sich wohl kaum nachweisen lassen wird, ob ein Stück wirklich von einem frischen Stempel geschlagen wurde oder nicht, sollte unserer Ansicht nach diese Angabe nicht mehr verwendet werden.

justiert = zur Herstellung des Sollgewichts wurde die Münze quasi werkseitig mit einer Justierfeile nachträglich bearbeitet – kommt vor allem im Zeitraum 1750 bis zur Einführung der Ringprägung um 1820 vor.

Zainende = die Zaine ist ein Blech oder Blechstreifen, aus welchem die Münzrohlinge gestanzt wurde, kam es dabei zu Fehlern, so dass über den Rand des Blechs hinaus gestanzt wurde, oder in dem ein Rohling verrutschte und tlw. nochmal gestanzt wurde, so entstand ein Zainende.

Besonderheiten bei PP/SP Münzen: da PP kein Erhaltungsgrad ist, müsste die korrekte Schreibweise eigentlich st/PP o.ä. sein, aus Vereinfachungsgründen wird jedoch nur PP geschrieben. Anders verhält es sich, wenn die in PP hergestellte Münze doch Kratzer oder Abnutzungserscheinungen aufweist. Dann gilt folgende Schreibweise: vz-st aus PP, f.st aus PP o.ä., auch PP- ist nicht unüblich.

Grundsätzlich muss bei der Einordnung der Münzen nach dem Erhaltungsgrad streng vorgegangen werden. Laien und oft auch die Erben eines Sammlers, welche eine solche Einschätzung selbst vornehmen stoßen hier zwangsläufig an Grenzen. Da werden schon mal alle Münzen als Stempelglanz bewertet, “die glänzen doch noch so schön” oder andersrum bankfrische 10 DM Stücke als s eingestuft. Das verzerrt natürlich die Selbstbewertung durch Internetrecherche enorm, liegen doch die Preise so mancher Münzen zwischen den einzelnen Erhaltungsgraden teilweise um mehrere tausend Euro auseinander. Darum:

Überlassen Sie die Bewertung Ihrer Münzen einem Experten!